Wenn die Gronicher im Herbst wieder spielen dürfen, wird auch ein Auswärtsspiel in Donndorf auf dem Programm stehen, das eigentlich für den 5. April 2020 geplant war. Spieler und Fans werden sich ins Auto setzen und gemütlich den Eckersdorfer Schlosspark ansteuern. Knapp 20 Kilometer, die heute niemanden mehr vor Probleme stellen – ganz anders als vor 73 Jahren. Im Mai 1947 bemühte sich der SV Vorwärts Goldkronach erst um eine Genehmigung, um mit dem Lastwagen zu Auswärtsspielen reisen zu können.
Das Gesuch, das der Verein an das Landratsamt in Bayreuth richtete, trägt den 15. Mai 1947 als Datum. Gut zwei Jahre nach Kriegsende unterlag das Leben noch Einschränkungen, so musste sich der SV Vorwärts erst um eine offizielle Genehmigung bemühen, um den Lastwagen des Fuhrunternehmers Wölfel für den Transport seiner Fußballmannschaft benutzen zu dürfen – zumal sich Wölfels Unternehmen ja noch dazu im selbstständigen Nachbarort Nemmersdorf befand, der erst 1972 nach Goldkronach eingemeindet wurde.
Mit der Bahn ab Goldmühl?
Zur Begründung führten die Goldkronacher Fußballer auch an, dass eine Bahnfahrt keine Alternative sei. Die 20 Minuten Fußmarsch zum nächstgelegenen Bahnhof nach Goldmühl hätten im Jahre 1947 zwar niemanden abgeschreckt. Doch die Verbindung sei schlecht, klagte der SV Vorwärts. Ja, wirklich: Zum Auswärtsspiel beim damaligen Kreisliga-Rivalen in Donndorf – um beim eingangs gewählten Beispiel zu bleiben – hätten die Gronicher tatsächlich von Goldmühl aus mit dem Zug anreisen können. Allerdings wären auch mindestens zwei Umstiege fällig gewesen – in Neuenmarkt und Bayreuth – ehe die Fußballer nach stundenlanger holpriger Fahrt am Bahnhof Eckersdorf-Fantaisie angekommen wären.
Neben Donndorf und Goldkronach spielten in der damaligen „Zwischenliga“ genannten A-Klasse bzw. Kreisliga als Bayreuther Vertreter auch Bindlach, Warmensteinach, Heinersreuth und Altenplos. Die Zugehörigkeit zu dieser Spielklasse hatten sich die Gronicher in der ersten Runde nach dem Zweiten Weltkrieg erspielt: Hinter Meister Bindlach und punktgleich mit Warmensteinach verwiesen sie unter anderem Bad Berneck, Bischofsgrün, St. Johannis und Weidenberg auf die Plätze – ebenso wie die damals noch bestehenden Klubs Goldmühl und Brandholz. Der SV Brandholz fusionierte 1948 mit dem SV Vorwärts zur SpVgg Goldkronach; in Goldmühl gibt es keinen Sportverein mehr. Und auch der Bahnhof ist, ebenso wie in Eckersdorf, Geschichte.
Umziehen im Wirtshaus
Auf dem Platz stand Ende der 40er Jahre übrigens auch der Vorsitzende persönlich. Hans Postner ist auf dem obigen Foto mehr schlecht als recht zu erkennen, er steht ganz rechts unter dem gestreiften Gestänge des Tores – man beachte auch die Kopfbedeckungen, die manche seiner Mannschaftskameraden tragen. Sein Verein unterhielt damals schon die Sparten Fußball, Tischtennis, Damensport und Gesang – letztere machte sich 1956 als Gesangverein selbstständig.
Ein Sportheim mit Umkleidekabinen gab es zu dieser Zeit übrigens noch nicht. Die Fußballer streiften ihre roten Trikots bei Heimspielen im Gasthof Wolfshöfer über und liefen dann hinunter in die Au auf den Sportplatz. Das Lokal gibt es nicht mehr, aber das markante Haus steht noch immer in der Bernecker Straße an der nordwestlichen Ecke des Marktplatzes und war vor einigen Jahren wegen eines möglichen Umbaus in ein „Bürgerhaus“ im Gespräch. Genau gegenüber befindet sich der Gasthof Alexander von Humboldt, wo der SV Vorwärts am 17. März 1946 „im Saale von Hans Bär“ wiedergegründet wurde.
Abenteuer Auswärtsspiel
Welche Strapazen in dieser Zeit nötig waren, um ein Auswärtsspiel bestreiten zu können, zeigte sich schon kurz nach der Gründungsversammlung: Zum ersten offiziellen Fußballspiel einer Goldkronacher Mannschaft nach dem Zweiten Weltkrieg kam es am 28. April 1946 in Bischofsgrün. Johann Kießling, das letzte lebende Gründungsmitglied von 1946 und damaliger Jugendspieler, schilderte, wie die Gronicher an diesem Tag mit dem Traktor in Richtung Ochsenkopf reisten. Insofern bedeutete die ein gutes Jahr später bentragte Fahrt auf der Ladefläche eines LKW bereits einen großen Gewinn an Zeit und Komfort. Der sportlichen Leistung war das, wie wir wissen, zuträglich: Die SpVgg Goldkronach gehörte ununterbrochen dem Oberhaus des Fußballkreises Bayreuth-Kulmbach an, bis sie im Jahre 1960 als Meister in die Zweite Amateurliga aufstieg.
Das Originaldokument von 1947 aus dem Vereinsarchiv