Sommer 1971: Gronicher Urlaubsgrüße aus Italien

  • von Gregor
  • 14. September 2020
  • Tradition
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Ein Sommer in Italien: Urlaub im Norden des Stiefels lag in Goldkronach offenbar im Trend.

Urlaubsgrüße aus Italien – im Jahre 1971 war das noch echte Handarbeit. An sekundenschnell geteilte Fotos dachte noch niemand, und statt des hastigen Blickes auf die neuesten Messenger-Nachrichten griffen die Goldkronacher Fußballer zum Kugelschreiber, wenn es galt, die daheimgebliebenen Vereinsmitglieder zu grüßen. Drei Postkarten aus den 1970er Jahren sind nun im Vereinsarchiv eingetroffen.

Knapp fünfzig Jahre ist es her, dass Edi Kierzkowski, Werner Muthig und Erwin Schott ihre Zeilen von den Stränden Italiens ins Fichtelgebirge sandten. Dass die Karten ironischerweise genau zu dem Zeitpunkt auftauchten, an dem viele ihre Auslandsreisen coronabedingt absagen mussten, ist vor allem Christopher Neuner zu verdanken. Er ist gerade damit beschäftigt, die Traditionsgaststätte Goldene Krone – den „Mack“ – Stück für Stück zu renovieren. Und da tauchte im Gewölbekeller eine Kiste voll mit Fußball-Andenken auf: Pokale, Zinnteller, Urkunden und eben drei Postkarten.

Mittelmeer, Gardasee, Kreisliga

Dass eine der Karten an das „Lokal Ruppel“, so ein früherer Name des Wirtshauses am Marktplatz, adressiert ist, zeigt, warum die Postkarten ausgerechnet im Keller der Gaststätte zu finden waren. Hier tagte der Stammtisch, und dementsprechend richtete man die Post eben an das Lokal, um möglichst viele der Vereinsmitglieder zu erreichen. 1971 war der Gruppenchat eben noch in weiter Ferne: John Lennon veröffentlichte in diesem Jahr „Imagine“ auf dem gleichnamigen Album, Bundeskanzler Willy Brandt betrieb eine Neue Ostpolitik im Verhältnis zur DDR und dort war soeben Erich Honecker neuer Generalsekretär des Zentralkommittees der SED geworden.

Währenddessen entdeckten immer mehr Bundesbürger ihr Faible für den sonnigen Süden. In Italien lockten Mittelmeer, Gardasee, Pizza und roter Wein. Kein Wunder, dass sich auch Goldkronacher dort ausgesprochen wohlfühlten. „Herzliche Urlaubsgrüße aus Grado“ sandte Werner Muthig mit Familie von der „Sonneninsel“ im Norden des Golfs von Venedig und berichtete weiter: „Die Kameradschaft hier ist genauso wie bei uns.“ Mindestens zwei weitere Parteien zeichneten die Karte und waren demnach ebenfalls an die Adria gereist, doch alle Hieroglyphen konnten bis dato noch nicht entziffert werden.

Auch im Urlaub dachten die Kartenschreiber an ihren Verein.

Die Familie von Torhüter Edi Kierzkowski hingegen war offenbar allein unterwegs, und zwar am Lido degli Estensi, der zu einer ganzen Kette bekannter Strandbäder gehört, die sich südlich der Po-Mündung erstrecken. Die breiten Sandstrände an der Adria gehörten zu den ersten, die von Touristen aus Deutschland entdeckt wurden. Edi Kierzkowski beschränkte sich aufs Wesentliche, sandte herzliche Grüße und wünschte sich „einen vollen Erfolg zum ersten Punktspiel“.

In Sirmione urlaubte derweil Vorstand Erwin Schott – und war dort auch ohne Smartphone bestens über die Geschehnisse auf dem Rasen informiert. Die Gronicher waren in seinem ersten Jahr an der Spitze des Vereins gerade wieder in die Kreisliga zurückgekehrt und offenbar nicht optimal gestartet. Der Vorstand lebte aber Optimismus vor – etwas anderes war am Südufer des Gardasees, wo schon die Römer im Thermalbad entspannt hatten, ja auch gar nicht denkbar. „Das erste Spiel ging zwar verloren, umso besser wird es beim ersten Heimspiel“, prophezeite er aus der Ferne.

Urlaub – auch 1971 noch keine Selbstverständlichkeit

Indessen war Urlaub, zumal im Ausland, noch immer keine Selbstverständlichkeit. Steigende Löhne hatten den Tourismus bereits angekurbelt, aber 1971 fuhr noch nicht einmal die Hälfte der Westdeutschen in den Urlaub. Erst in den folgenden Jahren wurde Urlaub dann für die meisten Menschen in der BRD allmählich „normal“. Dennoch bilden sich im veränderten Reiseverhalten der Bundesbürger – und auch der Goldkronacher – auch 1971 schon Faktoren wie wirtschaftliche Prosperität oder die Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten, etwa tarifvertraglich garantierter Urlaubsanspruch, ab. Auch aus Goldkronach fuhr man nun in das beliebteste Urlaubsland der Deutschen: Nach Italien. Und dachte am Strand der Adria oder des Gardasees dann doch an die Spielvereinigung…

Besitzen Sie alte Fotos, Dokumente, Wimpel oder Urkunden? Schlummern auf dem Dachboden Pokale, Trikots oder Ähnliches? Die SpVgg Goldkronach sucht für ihr Vereinsarchiv alles, was über die Geschichte des Goldkronacher Sports Aufschluss geben kann, gerne auch leihweise zur Digitalisierung! Ansprechpartner: Gregor Hofmann, E-Mail: gh [at] gronicher.de, Telefon: 0 16 0 / 98 52 87 73.

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